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Zusammenfassung 'Kairos en het eeuwige nu' PDF Afdrukken E-mail

Im Jahre 1990 wurde in Frankfurt/Main das Dritte Internationale Paul Tillich Symposion abgehalten. Zentrales Thema dieses Symposions war die Frage nach Tillichs Eschatologie. Eine eindeutige Antwort auf diese Frage mussten die Referenten uns schuldig bleiben, so dass Hummel sprach von vergeblicher 'Liebesmühe um so etwas wie einen einheitlichen, "wirklichen" Tillich zu retten'. In der Tillich-Literatur war bereits darauf hingewiesen worden, dass dessen Eschatologie dualistischer Art war (Schipper). Diese Erkenntnisse veranlassen uns, von einer Spannung, sogar von einer Contra­dictio in Tillichs Denken im Bereich der Geschichte und namentlich in dem der Eschatologie zu sprechen. Sie zeigen uns die Schwerpunkte, auf die wir uns in dieser Studie richten. Die Kernfrage haben wir deshalb wie folgt formuliert: gibt es in Tillichs Denken über die Geschichte ungelöste Span­nungen und wenn ja, welchen Hintergrund haben sie?

Im analysierenden Teil dieser Arbeit (in den Kapiteln 1, 2 und 3) untersuchen wir, in chronologischer Reihenfolge, eine Auswahl aus Tillichs Werken. Das bietet uns die Möglichkeit, etwaige Spannungen im Geschichts­denken Tillichs mit den Texten selber zu unterbauen. Ausserdem kann in dieser Weise ein Entwicklungsprozess in Tillichs Denken festgestellt werden, der für die Deutung der Problematik von entscheidender Bedeutung ist. Aus dem Textmaterial bildeten sich in dieser Weise drei Kreise: 1. die frühen Texte, hinsichtlich der Geschichte, in denen, was wir 'kairotisches Denken' nannten, zum Ausdruck kommt. 2. Die Texte aus der 2. Hälfte der zwanzi­ger Jahre, die deutlich Einfluss seitens der existentiellen Phänomenologie zeigen. 3. Texte, die für die 'Endgestalt' in Tillichs Theologie als repräsen­tativ betrachtet werden können.

Das erste Kapitel behandelt die Texte 'Kairos I' und 'Kairos II' aus bzw. 1922 und 1926. In diesen Schriften ruft Tillich auf zu einem Ge­schichtsbewusstsein, das in den Tiefen des Unbedingten wurzelt. Die zentrale Kategorie ist hier der sogenannte 'kairos'. Das ist die erfüllte Zeit in welcher der Mensch vom Unbedingten berührt, zu denjenigen Entscheidun­gen gelangt, 'in denen Geschichte gemacht wird'.

Auf der Suche nach den Wurzeln dieses 'kairotische Denken' stiessen wir auf die Gedankenwelt Böhmes und Schellings II. Zwei Texte sind in diesem Zusammenhang von ausserordentlicher Bedeutung. Die haben wir auch analysiert, weil in diesen Texten, unseres Erachtens, das kairotische Denken von Tillich zum Pro­gramm erhoben wird: 'Kairos und Logos' (1926) und 'Philosophie und Schicksal' (1929). Bei Böhme und Schelling II finden wir, nach Tillich, einen Dualismus in der Ideenwelt - ein dynamisches Element, das zur Geschichte führt. Dies im Gegensatz zu Plato, bei dem die Ideen kein historisches 'Schicksal' haben. Namentlich in Tillichs 'Das Dämonische. Ein Beitrag zur Sinndeutung der Geschichte' aus dem Jahre 1926 geht hervor, wie sehr er in seinem geschichtsphilosophisch/-theologi­schen Konzept von seinem Lehrmeister Schelling abhängig ist. Wir haben Tillichs Denken bereits typisiert als ein irrationales dynamisches Schöpfungs­denken und näher präzisiert als ein von Böhme und Schelling II modifizier­ter Idealismus. Wie fest Tillich in der idealistischen Tradition wurzelt, geht an und für sich schon hervor aus seinem Sprechen über Gott als wie über das 'Unbedingte' - ein Begriff, der von uns näher untersucht wurde.

Die Bewegung des 'Religiösen Sozialismus' darf in Tillichs Leben einen persön­lichen 'kairos' genannt werden. Er hat in dieser Bewegung eine führende Rolle gespielt. In der Diskussion mit Hirsch und dem National­sozialismus hat Tillich sich gezwungen gesehen, die Konturen seiner Kairos­idee fester zu umreissen. Dies hatte ein intensiveres Konzentrieren auf die Christologie zur Folge: jeder 'kairos' kann nur 'ein-sich-von-neuem-Ent­schliessen' sein der endgülti­gen Offenbarung in Jesus Christus (Kairos und kairoi).

Neben den kairotischen Ansatz von Tillichs Theologie tritt in der 2. Hälfte der zwanziger Jahre ein neues Element: der Einfluss und die Fort­wirkung der existentiellen Phänomenologie. Diese Tatsache bildet der Gegenstand der Untersuchung im 2. Kapitel dieser Arbeit. Ab 1925 (Mar­burg) ist Tillich unverkennbar von, vor allem, Heidegger beeinflusst worden. In der 'Marburger Dogmatik' macht er die Ontologie zu einem integralen Bestandteil seines Denkens, mehr noch: die Ontologie wird darin zu einem die Struktur bestimmenden Element. Es gibt eine sogenannte 'Doppelheit der Aussagen', eine Behandlung der Themata insofern sie das 'Sein an sich' betrifft und eine Behandlung im Lichte des 'Unbedingt Seienden'. In der 'Marburger Dogmatik' nimmt die Geschichte einen zentralen Platz ein. Dieser zentrale Platz wird im zweiten, dem mittleren, Teil behandelt als die Geschichte der Erlösung - als ein Durchbruch der endgültigen (vollkomme­nen) Offenbarung in Jesus Christus, ein Durchbruch, der von der Religion vorbereitet und in unsere Realität durch die Kirche aufgenommen wurde.

Wenn wir die 'Marburger Dogmatik' vergleichen mit der Textfassung des Werkes 'Die Gestalt der religiösen Erkenntnis' (eine Bearbeitung für Vorlesungen in Dresden 1927/29), dann beobachten wir einen interessanten Wandel im Sprachgebrauch. Das 'Unbedingte' wird zum 'Sein Selbst', statt von dem Dämonischen hören wir vom 'Nichtsein' und wo in Jesus Christus die Wirklichkeit transparent wird bis Gott, spricht Tillich zum ersten Mal über 'das neue Sein'. Dies alles weist darauf hin, dass Tillich sich zwischen 1925 und 1929 immer öfter ontologisch gefärbter Begriffe bedient. Das fanden wir bestätigt, als wir die Werke 'Eschatologie und Geschichte' (1927) und 'Christologie und Geschichtsdeutung' (1929) studierten. Für diese Texte haben wir die ursprüngliche Fassung in 'Religiöse Verwirklichung' (1930) benutzt, weil darin Endnoten aufgenommen sind, die in den 'Gesammelten Werken' fehlen. Diese Noten sind gerade deshalb so interessant, weil sie zeigen, dass Tillich in jener Zeit in einem 'Dauergespräch' mit Heidegger verwickelt war.

In 'Eschatologie und Geschichte' führt Tillich den Begriff 'eschaton' ein, wobei es ihm nicht um die letzten Ereignisse, sondern um den transzen­denten Sinn der Dinge (von dem was geschieht) geht. In 'Christologie und Geschichtsdeutung' finden wir ausser dem Einfluss Heideg­gers auch einen wichtigen Hinweis auf das Werk Kierkegaards, nämlich, wo es sich um dessen Lehre von der Gleichzeitigkeit mit Christus handelt. Auch der Existentialist Kierkegaard hat grossen Einfluss auf Tillich ausgeübt.

Das zweite Kapitel wird abgeschlossen mit einer genaueren Bestim­mung des Korrelationsbegriffs. Wir stellen fest, dass Tillich die existen­tielle Phänome­nologie auf dem Wege der Korrelationsmethode in sein Den­ken integriert hat. Dank der 'Doppelheit der Aussagen' hat die Ontolo­gie/exis­tentielle Phänomenologie sich da, wo die Korrelationsmethode ihre Fragen stellt, breit entfalten können. Das konfrontiert uns zum ersten Mal mit der Frage, ob über die Korrelationsmethode keine Elemente unter­schiedlicher Herkunft miteinander verbunden werden.

Das dritte Kapitel behandelt die 'Endgestalt' in der Theologie Tillichs. Als repräsentativ für seine endgültige Sicht auf die Geschichte betrachten wir nacheinander: Teil V der 'Systematische Theologie', die 'Religiöse Reden' und 'Der Mut zum Sein'. Den V. Teil der 'Systematischen Theologie' wurde zuletzt verfasst. Wir aber stellen ihn voran. Wir dürfen annehmen, dass Tillich bei der Herausgabe des ersten Bandes im Jahre 1951 die grossen Linien seines Systems bereits vorgezeichnet hatte. Wenn wir den Entwurf von Tillichs Geschichtstheologie überblicken, so wie diese in der Systemati­schen Theologie ihren Niederschlag gefunden hat, dann müssen wir feststel­len, dass seine Eschatologie nicht 'einheitlich' ist. Er gibt sich grosse Mühe, zu einer Beschreibung der wesentlich historischen Prozesse zu gelangen. Die Dynamik der Geschichte ist aufs engste verbunden mit der Lehre vom 'kairos', der davon ausgeht, dass das 'unableitbar Neue' in der Geschichte verwirklicht werden kann. Dennoch lehnt Tillich es ab, von den Eschata zu sprechen. Es gibt kein endgültiges Ende. Wohl ein dauerndes Ende: der Übergang von der Existenz zur Essenz als ein immerwährender Prozess der Essentialisierung und des Urteils. Hier scheint die Geschichte durch das 'nunc aeternum' verschlungen zu werden. Tillich hat diese ungelöste Span­nung in eine Dialektik umgewandelt. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer fortschreitenden Kurve, die auch durch die Tiefe führt. Wir fragen uns aber, wieviel Realitätswert diese Konstruktion noch hat, oder, anders gesagt, wieviel Wirklichkeitsgehalt ihr beizumessen ist. Dieselbe Spannung haben wir in Tillichs Predigtsammlungen ('Religiöse Reden') vorgefunden.

 'Der Mut zum Sein' nimmt in Tillichs Gesamtwerk einen eigenen Platz ein. Tillich unterscheidet in diesem Werk nicht nur drei Typen, sondern auch drei Perioden der Angst. Wir haben zuerst die trinitarische Struktur des Werks aufgedeckt und uns darauf gefragt, ob hier eine trinitarische Gliederung der Geschichte vorliegt. Unsere Schlussfolgerung kann keine andere sein als dass die Trinität in 'Der Mut zum Sein' über die Zeit hinaus dargelegt wird. Dies setzt aber wieder ein reelles Ende der Geschichte voraus, weil wir sonst 'über den Rand der Dreieinheit' fallen.

Im vierten Kapitel kommen wir zu einer Deutung der Problematik und zu folgender These: In der 'Endgestalt' der Theologie Tillichs finden wir eine ungelöste Spannung vor zwischen dem kairotischen Denken und dem 'ewigen Jetzt'. Es ist von zwei Konzeptionen verschiedenartiger Herkunft die Rede. Das Kairoskonzept hat sich an die Dynamik der Geschichte angehängt. In dem 'ewigen Jetzt' manifestiert sich ein existentialistisches Seinsdenken. Dies hat sich mit der Eschatologie verbunden. Diese Spannung in Tillichs Denken erklärt sich aus der Tatsache, dass er ein Grenzgänger gewesen ist zwischen zwei Welten: zwischen der Welt des Idealismus und der des Existentialismus. Der kairotische (=idealistische) Ansatz seiner Theologie wirkt fort bis in die 'Endgestalt'. Dazu tritt ab 1925 ein existentialistisches 'Seinsdenken'. Dieses Denken wird über die Korrelationsmethode im Systemganzen integriert, mit als Konsequenz eine 'confusio regnorum'.

Eine intensivere Erforschung von Tillichs Begriff 'Angst vor dem Nicht-sein' zeigt, dass Begriffe aus unter­schiedlichen Sprachbereichen miteinander verbunden werden. Die Kontami­nationen auf dem Gebiete der Geschichte, die von uns festgestellt wurden, müssen deshalb erklärt werden aus einem 'Zusammenfliessen' idealistischer und existentialistischer Einflüsse. Das hängt eng zusammen mit der Entwick­lung im Denken Tillichs, der sowohl Idealist als Existentialist hat sein wollen: Zwei Seelen in einer Brust!

Im letzten Kapitel 'Evaluatie en relevantie' gehen wir zum Schluss noch ein auf den Unterschied zwischen einem totalisierenden und einem diastati­schen theologischen Konzept. Als Gegenprobe stellen wir Tillichs Gedanken­gut und einige markante Positionen der reformierten Tradition, in der eher diastatisch als synthetisch gedacht wird, einander gegenüber. Dabei sind wir uns bewusst, dass Tillichs totalisierende Konzeption der Wirklichkeit auf die eigene Tradition schwer lastet. Dessenungeachtet sind wir bereit, seine Theologie weiter zu durchdenken, vor allem, da eine der grossen Hypothe­sen darin uns immer sehr fasziniert hat: Gott und Mensch - Brennpunkte einer Ellipse.

 

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